Heute ist mein letzter Tag in Tokyo und Japan. Morgen ist nur noch Abreise angesagt. Ich wache auf in meinem kleinen Kapselbett, vervollständige den Blogeintrag von gestern und mache mich auf zum Konbini nebenan, Frühstück kaufen. Das Frühstück esse ich lieber in der Lobby des Hostels, so muss ich keine merkwürdige Tischgebühr im Konbini bezahlen.


Nach dem Frühstück bin ich auf dem Weg zum Bahnhof. Heute ohne Fahrrad, so ist es gar nicht mehr so unangenehm. Ich steige in Shinagawa um auf eine andere Linie, bis ich am Tokyo Bahnhof angekommen bin. Hier hat mir Tomoko den Tipp gegeben, dass ich eine geführte Bustour mit HatoBus machen könnte. Ich laufe in das Ticketbüro und entscheide mich für die Tour, die einen Stopp am Tokyo Tower einlegt. Außerdem fährt der Bus über die zwei grossen Brücken in Tokyo und durch das Schickimicki-Viertel Ginza. Es ist wirklich beeindruckend, wie riesig diese Stadt ist.


























Da die Tour auf Japanisch durchgeführt wird, verstehe ich ungefähr die Hälfte und freue mich über die synchronisierten Ausdrücke des Erstaunens der weiblichen Teilnehmer ヘェ~! (hee〜!).


Nach der Tour wandere ich ein bisschen vor dem Kaiserpalast herum. Genau wie in den Shintoschreinen haben die Weite und die schönen Bäume eine beruhigende Wirkung auf mich. Wahrscheinlich braucht der Mensch zur artgerechten Haltung eine gewisse Dosis Weite. Der eine mehr, der andere vielleicht weniger.










Ich gucke auf die Landkarte und beschließe, ein paar Kilometer nach Akihabara zu gehen. Akihabara war und ist berühmt für seine Elektronikgeschäfte. Heutzutage ist es ein bunter Viertel, was keine Wünsche offen lässt für Liebhaber von Anime und Manga.
Die Stadt Tokyo erinnert mich ein wenig an Vancouver mit ihrer Eleganz, aber sie hat einen schnelleren, organisierteren Herzschlag, ohne dabei zu hektisch zu sein. Außerdem sehe ich keine Zeichen von Obdachlosigkeit und Drogenkonsum, wie sie in Vancouver leider heutzutage zum Gesicht der Stadt dazugehören.

Schließlich komme ich in Akihabara an, schnell zu erkennen an den großen Reklamen und Mangacharakteren.


Seit dem Beginn meiner Reise falle ich hier am wenigsten auf. Es sind viele westliche Gesichter und viele Tattoos zu sehen. Trotzdem passt mir irgendetwas nicht.
Ich trete in das nächste Riesengeschäft ein, in dem auf fünf Stockwerken alles von Büchern über Automaten und Figuren bis zum Dienstmädchen-Café alles untergebracht ist.
Filigrane Plastikfiguren werden in Glasvitrinen ausgestellt, sie kosten oft mehrere hundert Euro pro Stück. Etliche Kunden wandern mit großen, glasigen Augen durch die Gänge. Kassierinnen folgen ihnen und befreien die gewählte Figur oder die bedruckte Karte vorsichtig aus dem gläsernen Behältnis, die Kunden stehen vor Erfurcht ganz neben sich.

Das ist nicht meine Religion. Plötzlich will ich ganz weit weg von hier, ich sehne mich nach dem, was mich so ehrfürchtig werden lässt: Der Weite, den Bergen, den Bäumen und den Herzensbegegnungen mit Menschen wie du und ich!
So schnell wie ich kann, ohne jemanden umzurempeln, stiefel ich zur nächsten Bahnstation und von da fahre ich zurück zum Tokyo Bahnhof. Erstmal durchatmen im alten Gebäude. Hier ist zwar Großstadt, aber die Großstadt versucht hier nichts auszubeuten.
Ich fahre wieder zurück in Richtung Hostel, doch steige zwei Haltestellen vorher aus. So halte ich noch beim 100-Yen-Laden Daiso an, wo ich sechs Rollen Luftpolsterfolie erstehe. Mit meiner Riesentüte möchte ich nicht wieder zurück in die volle Bahn, da laufe ich lieber die 40 Minuten zu Fuß. Morgen sitze ich den ganzen Tag in Flugzeugen und Flughäfen herum, da wird mir die Bewegung jetzt gut tun.
So laufe ich einem Gusto Familienrestaurant vorbei und lasse mir mein letztes Abendmahl in Japan wieder von einem fröhlich dudelnden Katzenroboter bringen.

Im Hostel bleibt mir nur noch übrig, mein Rad so gut es geht mit Luftpolsterfolie und guten Wünschen zu umwickeln. Hoffentlich sehe ich es am Zielflughafen unbeschadet wieder.

Am Folgetag steht nur noch der Abschied an, doch der ist hart. Es fühlt sich an, als würde ich ein großes Stück Herz hier lassen, im schönen Japan mit den gastfreundlichen Menschen. Aber jetzt ist so.
しょうがない (shōganai – da ist nichts zu machen). Dann muss ich wohl nochmal wiederkommen und mein japanisches Stückchen Herz besuchen, das sich bei den lieben Menschen hier heimlich eingenistet hat. 🙂
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Danke für’s Mitreisen, es hat mir viel Spaß gemacht. Jetzt mache ich erstmal Pause, aber werde hoffentlich bald wieder schreiben. Und bis dahin habe vielleicht auch herausgefunden, wie ich die Newsletterfunktion hier zum Laufen kriege.
ご安全に!



Die letzte Folge hatte die lustigsten Bildunterschriften…hihi! Und Du hast Recht, die Landschaften sind viel schöner als die große Stadt….Gute Reise, wir hören voneinander
Sabine
Ist ja Geschmackssache, ob man Stadt oder Land bevorzugt. Aber wir sind uns mal wieder einig. 🙂
Liebe Grüße!
Lupina
Tokyo ist in meinen Augen bewundernswert, weil es eine Megacity ist, in der es zumindest optisch kein Elend und Armut gibt. Keine Drogenjunkies und keine Graffiti – keine Zerstörung von öffentlicher Infrastruktur durch die „Bewohner“. Mülleimer sind nur für die Touris, weil jeder Japaner seinen produzierten Müll wieder mit nach Hause nimmt und dort entsorgt. Niemals hatte ich das Gefühl Opfer von Kriminalität zu werden zu können und war oft Zeuge von Szenen, die in Deutschland so niemals stattgefunden hätten.
In vielen Bereichen eine Utopie für ein gutes und nachhaltiges Zusammenleben. Aber wo immer Licht ist, ist auch immer Schatten: schlechte Mann/Frau-Gleichberechtigung, niedrigste Geburtenrate, starke psychische Belastungen, starker sozialer Druck,…
Dennoch ist es eine Reise wert, um ein anderes erfolgreiches „Gesellschaftsmodell“ zu ergründen.
Danke für deine Teilhabe von deiner Japan-Reise und bis bald in Deutschland 🙂
Das hast du sehr schön zusammengefasst. 🙂 Ist auf jeden Fall eine ganz andere Welt und ich würde von Gefühl her auch lieber in Tokyo leben als in Vancouver oder sonstwo. Aber wenn ich die Wahl habe, viel lieber auf dem Land mit viel Platz. ^^
Ich danke dir fürs Mitlesen und Kommentieren! 🙂
Danke, dass ich an deiner außergewöhnlichen Reise „dabei sein“ durfte.
Wir sehen uns am Geburtstag deines Opas.
LG Claudia
Liebe Claudia,
Ich danke dir für dein Interesse und deine vielen lieben Kommentare, die mir sehr geholfen haben, am Ball zu bleiben mit dem Schreiben. 🙂
Ich freu mich schon darauf, dich bald mal wiederzusehen!
Liebe Grüße,
Lulu
Liebe Luisa,
was fuer ein tolles Abenteuer und du wirst noch lange all diese Eindruecke „verdauen“ und revue passieren lassen!
Danke, dass du die viele Arbeit auf dich genommen hast, so fleissig jeden Tag zu posten und uns somit ein Stueck auf deinem Weg mitgenommen hast.
Dann erstmal gute Weiterreise und viel Spass in good old Germany! Schade, dass du jetzt schon da bist, ich haette mich gern irgendwo mit dir getroffen, aber, ich bin erst in drei Wochen da.
Also … safe travels and enjoy every day 🙂
ganz liebe Gruesse aus’m Norden, ela
Hallo ela,
Viele Grüße zurück und Danke, dass du mich ein Stück auf meinem Weg begleitet hast! 🙂
Du hast Recht, die ganzen Eindrücke hallen noch schön nach und werden nach und nach zu einem Teil von mir.
Ich wünsche dir einen tollen Aufenthalt im guten alten Deutschland!
Liebe Grüße aus der alten Heimat,
Luisa
Danke, dass du uns auf deine Reise mitgenommen hast. Ich fand es sehr spannend Japan so zu erleben. Ein Land von dem ich so gar nichts weiss. Hoffe du bist gut zu Hause angekommen 🙂
P.S. Finde es faszinierend wie sie Stapeln in Tokio. Auch der Fussballplatz ist auf dem Dach.
Danke für’s Mitlesen! Jetzt weißt du schon ein bisschen mehr über Japan als vorher, genau wie ich. 🙂
Liebe Grüße in die Schweiz,
Luisa
Hallo Luisa!
Vielen, vielen Dank, dass ich an Deiner Radtour teilnehmen durfte.
Chapeau für Deinen Mut, diese Reise alleine zu machen, aber bei Dir ja nicht verwunderlich .
Ich freue mich schon auf neue Berichte aus Deiner „alten“ neuen Heimat.
Liebe Grüsse aus dem Sauerland
Dietmar
Hallo Dietmar,
Danke für’s Mitlesen und es freut mich sehr, dass du Spaß daran hattest.
So richtig alleine war ich ja so gut wie nie auf der Reise. Vielleicht auf den endlosen Anstiegen, aber so konnte ich wenigstens in meinem ganz eigenem Tempo weiterschieben. 🙂
Ich hoffe, es geht dir gut und du genießt das wunderbare Wetter!
Viele Grüße ins Sauerland,
Luisa
Ergänzung:
Chapeau für Deinen Mut, diese Reise alleine zu machen, aber bei Dir ja nicht verwunderlich. (blinzelnder Smiley 😉 )
Liebe Luisa,
nun habe ich für die letzten beiden Beiträge noch ewig gebraucht um sie zu lesen. Mit großer Begeisterung und Bewunderung habe ich Deiner Reise begewohnt. Was für ein beeindruckendes Erlebnis und ich bin nicht in der Lage auf irgendwelche Details einzugehen. Dazu waren es einfach zu viele. Auf jeden Fall hast Du mir Japan auf eine noch nicht gekannte Art und Weise näher gebracht. Für mich war Japan bislang immer etwas seelenlos, die Menschen irgendwie unnahbar und ameisen- und roboterhaft. Du hast mir ein ganz gegenteiliges Bild vermittelt. Was für ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen.
Auch wenn ein Eindruck Deines Reisetagebuches etwas weniger damit zu tun hat: Es ging sehr viel ums Essen 😀 Wobei ich die Küche gar nicht so exotisch finde, wie ich es vermutet hatte.
Ich hoffe, Du hast Dich inzwischen wieder gut am Yukon eingelebt und die Wunde im Herzen schmerzt nicht mehr zu sehr.
Danke fürs Mitnehmen und liebe Grüße aus Berlin
Volker
Lieber Volker,
Danke für deinen ausführlichen Kommentar! Es freut mich, dass du Spaß hattest, meinen Beschreibungen zu folgen. Und noch viel mehr freue ich mich über das riesige Kompliment, dass ich dir Japan mit seinen lieben Menschen näher gebracht habe. Die haben sich auch bei mir im Herzen eingenistet. 🙂
Ich hatte noch Zeit in Deutschland bei meiner Familie verbracht und bin jetzt wieder zurück im Yukon. Es ist schön, hier zu sein, aber ich muss es langsam angehen lassen. Irgendwie bin ich immer noch voller Eindrücke, die sortiert und verdaut werden wollen. Direkt wieder da anzufangen, wo ich aufgehört habe, würde sich falsch anfühlen.
Alles Liebe von meinem Norden in deinen Norden! 🙂
Luisa
Wie recht du hast mit deinem Kommentar zur artgerechten Haltung und Weite. ❤️
Ich war kürzlich zum ersten mal in Ostfriesland und gerade die Weite hat so eine Ruhe in mein Herz gebracht, die ich hier wo ich lebe, nie bekomme.
Ich freu mich, dass du einen schönen Japan Trip erlebt hast.
Viele Grüße rosablueze
Hallo rosablüte,
Es ist total schön, von dir zu hören! 😀 Toll, dass du für dich einen Ort gefunden hast, der mit dir total resoniert. Das ist ganz viel wert, finde ich. Selbst wenn man nicht da leben will oder kann, es gibt ja Urlaube und Träume. Ich wünsche dir von Herzen das Beste!
Alles Liebe,
Luisa