Diskomfort

Mein Bergmarathon steht bevor. Oder kann man das ueberhaupt Bergmarathon nennen? Es werden 43,7 Kilometer, bergauf, bergab, teils ohne Weg, auf jeden Fall kraxelnd. Ich stelle mich darauf ein, bergauf zu gehen, Kraxelstrecken zu gehen und zu laufen, wenn mir danach ist und ich kann. Hauptsache vorwaerts. Hauptsache innerhalb der Zeitvorgabe beenden. Denn ansonsten kann ich mir gut vorstellen, dass ich mich einfach wieder anmelde, fuer naechstes Jahr.

Unerledigtes sollte man zu Ende bringen, stimmt mein Hirn zu.

Das Ausspaehen meiner Laufstrecke einen Monat vor Startschuss hat mich nicht unbedingt zuversichtlich gestimmt.

Schotter, Schnee und Schlamm.

Doch immerhin konnte ich Tyrel malerisch in Szene setzen.

Ehemann auf Hochebene vor Bergen.

Kurzum: Die Strecke, die ich in knapp vier Wochen laufen werde, ist noch nicht passierbar. Zum Glueck haben wir noch etwas Zeit fuer Tauwetter. Ausserdem bin ich langsam und kann beim Lauf in etliche Fussstapfen treten, hihi.

Im hinteren Bild schneit es, im vorderen Bild schauen Arma und ich auf die naechste Schneeverwehung, die es zu ueberqueren gilt.

Trotz allem freue ich mich darauf. Darauf, in dieser zauberhaften Landschaft zu sein, die den meisten Touristen verwehrt bleibt, da zu unzugaenglich. Und ich freue mich darauf, an meine Grenzen zu gehen.

Geschlossene Schneedecke auf einer Hochebene.

Genau drei Jahre vor dem bevorstehenden Bergmarathon habe ich angefangen zu laufen. Zu dem Zweck habe ich mir eine „Couch to 5k“ App (Vom Sofa zum 5 km Lauf) heruntergeladen. Die erste Woche bestand aus drei Einheiten, die alle sehr anstrengend fuer mich waren. Zuerst fuenf Minuten schnelles Gehen, dann im Wechsel 60 Sekunden langsam laufen und 90 Sekunden gehen. Die Einheiten steigerten sich langsam, sowohl der Lauf- als auch der Gehanteil wurde laenger. Ein lustiger Zombie sagte mir stets ueber meinen Handylautsprecher, wann ich zu laufen oder zu gehen hatte.

Dann erblickte ich den Plan fuer die dritte Laufeinheit von Woche fuenf des Plans. Hier sollte ich 20 Minuten am Stueck laufen! Fuer mich schien das damals einfach unerreichbar. Fieberhaft lies ich durch Internetforen dieses Laufplans. Hat es tatsaechlich schon jemand geschafft, nach nur vier Wochen diese 20 Minuten Dauerlauf zu knacken?

Arma und ich bahnen uns den Weg durch Weiden und Weite der Tundra.

Ja es ist moeglich. Der Koerper ist vorbereitet. Auch wenn man sich es nicht zutraut, es ist moeglich. Ein Forenbeitrag behauptete sogar, wenn man es schaffte, diese 20 Minuten zu laufen, dann kann man mit Training und Zeit jede Distanz laufen, die man sich vornimmt.

Manch Langstreckenlaeufer glaubt, dass solche Rennen im Kopf und im Magen entschieden werden. Wenn die Beine krampfen und sich die Welt gegen einen vorschworen hat mit dieser unmoeglichen Aufgabe – Setzt man den naechsten Schritt?

In den Bergen gelten andere Gesetze als bei Strassenmarathons. Dabei will ich noch nicht mal von Schnee oder Baeren anfangen, die gibt es hier gratis dazu, wenn man Pech hat. Nein, es ist stimmiger fuer mich. Wenn ich in der Stadt laufe, frage ich mich, warum zum Teufel ich nicht den Bus nehme. Doch wenn ich durch Baeche und ueber Bergruecken stakse, fuehle ich mich verbunden mit der Natur und begreife mein Leben als Teil vom Ganzen. Dann macht auch der Diskomfort sinn. Er hat einem diese wunderbare Landschaft erst erschlossen. Und auch wenn wir ihm so oft wie moeglich aus dem Weg gehen, macht er doch erst Wachstum und Evolution moeglich!

Arma und die Tundra.

Ich weiss nicht, ob ich diesen Lauf beenden kann. Aber es zu versuchen, das reizt mich mehr, als die Unsicherheit abschreckt.

Um Miffy, den Sherrif von Nuttingham zu zitieren:

LASST ES UNS HERAUSFINDEN!!

🙂

22 Comments

  1. Ich wünsche dir bei diesem Vorhaben viel Glück und Erfolg. Was machst man denn, falls tatsächlich ein Bär deinen Weg kreuzt? Hast du da einen Bärenspray dabei? Liebe Grüße aus Südindien Irène

  2. Moin Luisa,
    auch ich wünsche Dir für Deinen Lauf viel Glück und Erfolg! Ich bin mir sicher Du schaffst es. 🙂
    Liebe Grüße aus dem endlich sonnig warmen Schleswig-Holstein
    Jens

  3. Oh wie schön, wieder mal von Dir zu hören! Habe ich doch immer wieder an Dich gedacht.
    Zweifle bitte nicht an Dir. Du hast sogar ein Haus gebaut! Du hast es geplant. Und dabei hast Du es schon vor Dir gesehen. Genau so sehe ich vor mir, dass Du diesen Lauf schaffst.
    Nun musst nur Du es noch sehen 😉

    Grüße mir den Yukon! Ich mache es mir derweil auf meinem Balkon so gemütlich wie möglich und quäle zwischendurch meine Nähmaschine.

    Ich bin sicher, unsere guten Gedanken werden Dich über diese Strecke tragen, wo es nötig ist, Dich anfeuern, wenn Du es brauchst und die Glücksgefühle teilen, wo sie bei Dir überschwappen! :*

    Liebe Grüße!
    Gabi

    • Luisa

      Dankeschoen Gabi fuer deine liebe Worte! 🙂

      Auf die guten Gedanken werde ich waehrend des Laufs sicherlich zurueckgreifen! <3

      Schoen, dass du es dir gemietlich einrichtest. Ist deine Zahnbaustelle mittlerweile ganz abgeschlossen?

      Viele Gruesse aus dem Yukon,
      Luisa

      • Dass Du Dich da noch dran erinnerst… 😀
        Der Zahnarzt hat die Baustelle abgearbeitet, aber ich bin mit dem Ergebnis extrem unzufrieden. Deswegen wird es wohl nächstes Jahr einen Neubau geben.
        Und wenn man sonst nirgendwo hin kann, bleibt einem ja nicht viel was anderes möglich, als es sich gemütlich zu machen. Viel mehr kann ich auch gerade nicht aktiv beeinflussen. Ich sage mir immer, lieber das tun, was möglich ist, als über das jammern, was nicht geht. Auch wenn es mir gerade etwas schwerer fällt. Vielleicht habe ich deswegen dieses Jahr ein paar Blumen mehr 😉

        Beim laufen immer auf den nächsten Schritt konzentrieren. Dann wird das schon!
        LG Gabi

  4. Gerne geschehen Luisa,
    ja es ist wirklich schön endlich mal Temperaturen über 20 Grad zu haben
    und auf der Terasse Essen zu können!
    Alles Liebe und bleib gesund!
    Jens

  5. monikakrampl

    Liebe Luisa, ich bin jetzt 71 und ich bin sehr froh eine gut gefüllte Schatzkiste mit all meinen Erlebnissen aus meinen früheren Jahren zu haben, mit dem Wissen, dass ich das alles jetzt nicht mehr machen könnte. Ich freue mich darüber was du alles in deine Schatzkiste füllen kannst – welch‘ Schätze du ansammelst!
    Alles Liebe Monika

    • Luisa

      Liebe Monika,
      Du hast genau recht.
      Alles im Leben ist vergänglich und nichts gehört uns für immer – mit Ausnahme eben dieser Schätze, von denen du schreibst. Ich sammle und teile sie gern.
      Alles Liebe aus Kanada,
      Luisa

  6. Hmmmm, liebe Luisa, Du hast mich auf eine gute Idee gebracht: Bei meinem nächsten Stadtmarathon nehme ich den Bus! 😀

    Nein, ich weiß genau, was Du sagen willst und ich drücke Dir die Daumen, dass Du in vier Wochen bei besseren Bedingungen einen sauberen Lauf hinlegen kannst!

    LG aus dem NW von D
    Volker

  7. Liebe Luisa,

    ob meine Zivilisatitonsaffinität ein Vorteil ist, sei einmal dahingestellt. In Deutschland trifft das aber wohl schon zu.

    Vor meinem ersten Marathon (es war der Hamburg-Marathon) war ich so etwas von nervös. Ich hatte in einem kalten Frühjahr trainiert und am Marathon-Tag war es total warm und zum Schluß war ich total am Ende. Aber meine und Deine Premiere werden sich überhaupt nicht vergleichen lassen, da Du auf Trails unterwegs bist und eh nicht komplett durchlaufen wirst können.

    Laß es auf Dich zukommen, genieße es, kein Marathon wird je wieder so sein wie der erste!

    Liebe Grüße aus dem gewittrigen Oldenburg
    Volker

    • Luisa

      Moin Volker,

      Das klingt echt spannend mit deinem ersten Marathon! Hast du damals schon gebloggt?

      Gewitter – das finde ich unheimlich gemütlich und liebe den Geruch. Hier ist es soweit trocken und um 4:11 h in der Früh konnte ich schon die erste Morgenröte bewundern. 🙂

      Liebe Grüße aus dem nicht mehr dunkelnden Yukon,
      Luisa

  8. Du bist aber früh unterwegs. Bei uns wird es übrigens jetzt ähnlich früh hell, Sonnenaufgang heute um 5:04 Uhr.

    Nein, damals habe ich noch nicht gebloggt. Megakurze Zusammenfassung: bis ca. KM 37 war ich gut unterwegs, immer zwischen 5:30 und 6:00er Schnitt. Danach kam der total Einbruch und nur die Motivation eines 4:30-Tempoläufers hat mich überhaupt noch wieder zum Laufen animiert und ich bin mit 4:27irgendwas ins Ziel gekommen. Mein Mantra auf den letzten Kilometern war „nie wieder, nie wieder, nie wieder“. Am nächsten Tag allerdings kam ich aus der Euphorie überhaupt nicht mehr raus und wäre am liebsten gleich weider gelaufen.

    Also vergiss mein Mantra und mach den Marathon zu einem einmaligen Erlebnis für Dich! Es wird toll werden!

  9. Du machst immer so viele abenteuerliche und auch ungewöhnliche Sachen. Toll. Bin gespannt, wie es dir ergangen ist. Sei lieb gegrüßt.

  10. Ich kann nicht glauben, dass ich es total verpennt habe, auf diesen Blog zu schreiben!
    Man, oh man, dass kann man ja schon fast gar nicht mehr mit „Wald Alzheimer“ entschuldigen 😉
    Ich weiss nicht genau, wann Dein Lauf jetzt war, oder evt. noch ist?! Aber, ich wuensche Dir, dass Du das erreichst und das Ziel erfuellst, das Du Dir gesetzt hast!
    Du hast so hart, so lange und so diszipliniert dafuer gearbeitet, dass ich einfach nur hoffe, dass Du Spass hast und, die Dir gestellte Herausforderung, so erlebt hast, dass es Dir immer eine bleibende Erinnerung sein wird!

    Du kannst jedenfalls sehr stolz auf Dich sein 🙂 !!
    Viele liebe Gruesse und hab Spass
    wuenschst Dir ela von unten rechts 😉

    • Luisa

      Moin ela,

      der Lauf liegt noch in der Zukunft, also sind deine guten Wuensche rechtzeitig angekommen! 🙂

      Mir graut es ehrlich gesagt jeden Tag ein bisschen mehr… aber jetzt noch wild trainieren haette eher einen gegenteiligen Effekt!

      Also tief durchatmen und Optimismus herbeibeschwoeren! 😀

      Ich hoffe dir geht es auch gut und du kannst den Sommer geniessen. 🙂

      Viele Gruesse von oben links,
      Luisa

  11. Luisa, bist du schon los? Ich hoffe, der Schnee ist weg, ansonsten bei Deinem Training, schaffst Du das, es ist ja nicht unbedingt eine Frage der Zeit, ins Ziel kommen. Auf dem PCT bin ich am Ende viele Tage hintereinander jeden Tag über 40 km gegangen, ok gegangen, aber die Cascades haben es auch in sich, es hat so viel Freude geschenkt und Canada lag vor uns!!!!! Endlich! Ich wünsche Dir viel Spaß und Grüße noch immer aus dem Homeoffice, Jac

    • Luisa

      Hi Jac,
      Ich bin wieder daheim und habe es tatsaechlich ins Ziel geschafft!! 🙂
      Lieben Dank fuer deine guten Wuensche. <3
      Der PCT ist echt ne Hammerleistung von dir! Ist es nicht irre, wie der Koerper in so ne Leistung reinwaechst?
      Alles Liebe aus Kanada,
      Luisa

  12. Dietmar

    Hallo Luisa, aus dem Sauerland Gratulation zu Deinem Superlauf. Vielleicht hättest Du beim PWeg trainieren sollen :-). Quatsch – bei dem Streckenverlauf und der Hitze: Chapeau. Übrigens: seit 4,5 Monaten brauche ich keiner geregelten Bürotätigkeit mehr nachzugehen und habe umso mehr Zeit, Deinem Blog zu folgen. Ich wünsche Dir alles Gute und freue mich über jeden neuen Beitrag. Bleib gesund – Dietmar

    • Luisa

      Lieber Dietmar,
      Ganz herzlichen Dank fuer deine netten Zeilen!
      Klar, der PWeg wuerde in Deutschland weit oben auf meiner Liste stehen, zusammen mit der Harzquerung. 🙂

      Wie sollte ich sonst nochmal in den Genuss von Dicken Sauerlaendern kommen?
      Gratulation zum Ausstand! Du koenntest ein spannendes Buch schreiben mit den Geschichten, die du in deiner Laufbahn erlebt hast.

      Alles Liebe aus Kanada,
      Luisa

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