Regentropfen trommeln leise auf das Dach, unter dem ich liege. Ich kuschel mich noch einmal tiefer in mein Futonbett ein. Heute habe ich es nicht eilig.

Es scheint, als würde ich heute wirklich einen Ruhetag einlegen. Zwar gibt es etwas in dieser Stadt, was mich wahnsinnig interessieren würde, aber heute ist Dienstag und Dienstag ist Ruhetag. Minabe ist Stadt der Pflaumen und hier werden auch Stoffe mit Hilfe der Pflaumenbaumrinde auf traditionelle Weise gefärbt. Lindy, die Schwester meiner Fleischereifreundin Simone, hatte im letzten Sommer einen japanischen Stofffärbekurs im Yukon belegt und mir davon berichtet. Das fand ich so faszinierend, dass ich das auch gerne einmal versuchen würde. Und jetzt bin ich so nah dran und doch weit entfernt. Für den Kurs hier muss man sich auch mindestens zwei Tage im Vorfeld anmelden. Bis übermorgen wollte ich nicht in der Stadt bleiben.
So organisiere ich mich ein bisschen und genieße die Stärke und Ruhe, die dieses wunderschöne Haus ausstrahlt. Ich könnte noch ein paar Tage so liegen bleiben, doch mein Magen verlangt danach, gefüllt zu werden. Also suche ich mir eine kleine Gaststätte in der Nähe heraus, die schon morgens geöffnet hat, und schwinge mich auf mein Rad.
Die Gaststätte ist gut besucht von älteren Herren, die die Tageszeitung lesen und sich miteinander unterhalten. Ein Herr ist sehr interessiert an meiner Person, ihm blitzt der Schalk aus den Augen. Er versucht mir den Stuhl direkt neben ihm schmackhaft zu machen. Ich bedanke mich höflich und merke an, dass ich ihn für zu gefährlich halte. Die Gaststätte bricht in heiteres Gelächter aus.
Ich komme ins Gespräch und erzähle von meiner Reise. Und dass ich es ein wenig schade finde, dass heute kein 梅染 (umezome – Pflaumenfärben) stattfindet. Aber die Herren wenden ein, dass die Färbemeisterin doch die Ehefrau von einem von ihnen ist. Sie wird soeben angerufen und in die Gaststätte bestellt. In der Zwischenzeit esse ich mein leckeres Mahl (ich esse das wechselnde Tagesmenü schon vor 9 Uhr morgens) und mache noch ein Gruppenbild mit den netten Herren.


Die Färbemeisterin Toshiko erscheint ein paar Minuten später, ich trinke noch einen Milchkaffee. Ruhig und würdevoll erläutert sie mir die Details des Stofffärbens mit Pflaumenbaumrinde. Das Moos auf der Rinde ist wichtig, das Holz lagert etwa ein Jahr, bis die Rinde gelöst wird und schließlich wird eingeweicht, gesimmert (nicht gekocht!) und mit Ammoniak und einer Aluminiumverbindung gearbeitet, um die Farbe aus der Rinde zu lösen.
Ich frage, wann der Kurs morgen stattfindet, eventuell könnte ich auch ohne zwei Tage Voranmeldung teilnehmen? Aber nein, der Plan ist, heute einen Extrakurs mit mir zu veranstalten. Ich freue mich sehr, bedanke mich herzlich und fahre Toshikos Auto mit meinem Rad hinterher zur Färberwerkstatt.


Hier treffe ich auch auf Toshikos Schwiegertochter Yukari, die heute mitmacht beim Färben und selbst ein kleines Tuch färbt. Später kommt noch die Ortsbürgermeisterin dazu, die mir viele Bilder zeigt von Festmahlen und besonderen Veranstaltungen im Ort. Außerdem überreicht sie mir eine kleine Flasche Pflaumenbrandy, den sie 2008 selbst hergestellt hat. Was für ein besonderes Geschenk!

Neben meinem kleinen Tuch darf ich ein T-Shirt einfärben – es ist ein Geschenk für mich von der Färberfamilie. Ein paar Gummibänder werden je nach Belieben platziert, die Färberflüssigkeit wird erhitzt und sie wird in die Stoffe eingearbeitet, bevor alles wieder ausgewaschen wird. Das T-Shirt wird nur einmal eingefärbt, aber bei den Tüchern wird der Prozess wiederholt, da der Stoff die Farbe nicht ganz so gut annimmt.


Dann wird alles ausgewaschen und die Tücher werden gebügelt, nachdem wir draußen Bilder geschossen haben im Regen.

Schließlich geht es ein paar Straßen weiter zu Yukari nach Hause. Viele äußerst leckere Sachen werden auf den Tisch gezaubert. Drei verschiedene Arten roher Fisch, riesige geröstete Sojabohnen, Bohnenreis, Erbsensuppe, Soßen, Pflaumensalz und natürlich auch in Salz eingemachte Pflaumen. Die Ortsbürgermeisterin erscheint wieder und bringt noch mehr Leckereien: In Teig frittierte Bambus- und Baumsprossen, Pflaumen-Miso-Salatdressing samt Salat, besonders eingelegte Bambussprossen und eine kleine Flasche 甘酒 (amazake), ein süßes Getränk aus halb fermentiertem Reis. Wir reden über das Leben, das Ortsgeschehen, über meine Reise. Ich bringe die Frage an, ob ich von hier aus vielleicht nach Osten durch die Berge ziehen sollte, oder doch lieber nach Süden dem Meer folgen. Man ist sich einig, dass die südliche Route wahrscheinlich die bessere Idee ist. So ist für mich die Entscheidung gefallen, ich werde morgen nach Süden weiterziehen.



Nach dem Essen biete ich an, beim Abwasch zu helfen, aber wir müssen zurück zur Färberwerkstatt – dort wartet schon eine Reporterin auf uns! Wir fünf Frauen sitzen in der Färberwerkstatt und ich führe tatsächlich ein Interview mit einer japanischen Zeitung. Meine neuen Freundinnen helfen mir manchmal aus und werfen noch ein paar Fakten über mich, meine Reise und unseren gemeinsamen Tag ein, um die Geschichte abzurunden. Es wird ein Bild mit mir und meinem gefärbten Tuch vor einem jungen Pflaumenbaum geschossen. Dann verabschiedet sich die Reporterin und letztendlich ist es auch für mich Zeit, weiterzuziehen.
Der Abschied schmerzt. Wie kann es sein, dass in nur ein paar Stunden so liebevolle Bande zwischen Menschen geknüpft werden können? Es fließen ein paar Tränen und Yukari merkt an, dass ich doch bitte wieder zu Besuch kommen soll – beim nächsten Mal dann zusammen mit meinem Ehemann.
Bei dem nächsten Konbini kaufe ich mir Essen ein, das für Abendessen und Frühstück reichen wird. Ich kehre zurück in mein leeres Gasthaus und lasse für den Rest des Abends die wunderschönen Begegnungen diesen Tages in meinem Herzen nachhallen. ❤️
Wie freundlich von der Färbemeisterin! Hier kann ich mir so einen Kurs außer der Reihe – und dann auch nur für eine Person! – eher nicht vorstellen. Nicht aus Unfreundlichkeit. Weil wir hier so sind, wie wir sind .
LG Claudia
Hallo Claudia,
Stimmt, da ist glaube ich in Deutschland oft eher „Da könnte ja jeder kommen“ oder „Recht muss Recht bleiben“ in den Köpfen einprogrammiert. Aber wer weiß… Falls eine Deutsch sprechende, allein reisende Radfahrerin aus Japan vor der Tür steht… Vielleicht würde man auch da eine kleine Ausnahme machen wollen. 😉
Liebe Grüße von Lulu
ルイーザさん、こんばんは!
毎日とても素晴らしい体験をしていますね!
ごはんもいつもおいしそうで、見ているとおなかがすきます。笑
体調はどうですか?とても心配しています!
もし熱がないのに鼻水とくしゃみだけが出るのであれば、「花粉症」かもしれないと思いました。
症状の差は人によって差がありますが、日本人の50%が花粉症で、国民病とも言われています。この季節の天気予報では「花粉の多さ」も毎日伝えられますよ。
戦後、国策として杉の木を植えたことが原因と言われています。
今の季節、杉の花粉がたくさん飛ぶため、花粉症の症状が重い人たちは、春の到来を心待ちにしません…。
日本人が今でもマスクをしているのは、コロナウイルスではなく、花粉を恐れているからです!笑
温泉に入って体を休めて、温められることを願ってます!
そういえば、ドイツでも体調不良のときにはお風呂に入るんですか?そのイメージがありませんでした!
玉枝さん、こんばんは!❤️
まだブログを読んで嬉しいですよ!!
へー、花粉症は全然考えていませんでした…
花粉症は目が痒いと思いました。
あの~、かもしれないね。外でだけだと思います。
玉枝さんは探偵ですか?!勘が鋭いですね!!笑
はい、ちょっと病気の時、ドイツ人はお風呂に入っています。家のお風呂かサウナに入ります。でも、熱があると、ベッドで横になっていますよ。:)
Hi Lulu,
Ich bin echt Stolz auf Dich wie du deine Tour und das komunokative mit den dir doch eigentlich fremden Menschen machst. Ich freue mich schon auf den nächsten Bericht. Tschüss Papa
Hallo Papa,
Danke für deinen lieben Kommentar! <3
Eigentlich ist es ja gar nicht so schwer, mit Leuten in Kontakt zu treten. Opa hat das Eis gebrochen mit "Ey, hömma, schön habt'er's hier!". Das hab ich bislang noch nicht direkt übersetzt bekommen ins Japanische, aber mit der ähnlichen Einstellung klappt es dann doch. 😉
Liebe Grüße,
Lulu
Das ist auch meine Erfahrung im Leben gewesen – der Weg ist ein Guter.
Ich freu mich über deine erfolgreiche Umsetzung zu lesen!
Und ich freu mich, dass du Spass am Teilhaben hast und fleißig kommentierst. 🙂
ルイーザさん、返信ありがとう!
はい、探偵に転職したほうがいいかもしれませんね?笑
花粉症かもしれないと思った理由が2つあって、
1つは、日本人の友達が、日本では花粉症ではなかったのに、ドイツ勤務のときに花粉症になったこと。
花粉症は、年月をかけて発症するので、ドイツにも似た花粉があったのかもと思いました。
(彼は今でも「made in Germany の花粉症だ」と自慢しています。笑)
もう一つは・・・風邪にしては、とてもお元気そうに見えたからです!笑
ドイツのお家にはサウナがあるんですか?
うらやましいー!
日本は数年前からサウナがとっっっっっっても人気なんです。実はこの前、ルイーザさんと会った次の日に尾道でサウナに行ってました。
本当に調子が悪いと思った時はベッドで横になって休んでくださいね!
Stay safe and have fun! 😉
玉枝さーん、おはようございます!
私はトイツでもカナダでも花粉症に罹ったことがありませんね。鼻水は日本からお土産ですが、鼻土産かもしれませんか?笑
ドイツで少し家はサウナがありますが、私は公共のサウナに行きました。普通男の人と女の人は同じサウナに入っています。皆さんは赤裸々ですね。文化はちょっと違います… ^^‘
「裸の体は正常」と言っていますね。
玉枝さんは良い一日をね!:)
ドイツには花粉症に効く薬がある。
それは「エバスチン」という有効成分で、私の花粉症にとてもよく効いた。
https://en.wikipedia.org/wiki/Ebastine
そうですか。教えてくれてありがとうございます!
What a wonderful day and wonderful people. I am teary with joy.
I’m so happy I can share these experiences with you while they are still as fresh as the longtooth grouper I’ve eaten! 🙂 <3
Makes me so emotional to read your blog, I am so happy that you are having a great time and great encounter with locals. And makes me so proud of where I come from ❤️
Now I cry reading your comment… Thanks for being my very first Japanese friend and opening up this world to me! <3 <3 <3
I’m going to show up at the shop tomorrow seriously sleep deprived!! I’ve been completely swept up in your beautiful journey, the stories of your new friends and the wonderful generosity and curiosity they share with you. What an incredible adventure!!
Hush hush to bed with you my Larriest friend! <3
Sweet dreams to you and I can't wait to hear about your upcoming adventures! There's magic in the air!! <3